DJ Air Afrique
Der Zürcher Musikproduzent Michael Sauter hat unter dem Namen DJ Air Afrique drei EPs mit verspielter Tanzmusik veröffentlicht. Es sind die Resultate seiner Forschungstätigkeit in Sachen afrikanischer Clubmusik.
Man fühlt sich wie in einem Kellerclub in Yaoundé, der Hauptstadt von Kamerun. Die Luft ist stickig, das Kondenswasser tropft von der Decke. Aus den Boxen dringt hypnotische Musik. Eine Art basslastiger Galopp, Badumm-badumm-badumm-gadum. Die wenigen Orgeltöne klingen wie eine Sirene, wie ein Signal, das sagt: Tanz, tanz, tanz. Aber eigentlich hat einem das der Bass schon eingebläut.
Es ist Musik, die nie stoppt. Die nie stoppen soll. Es gibt keine Uhrzeit mehr, keine Pflichten, keine Müdigkeit. Nur den Beat und die Melodie.
Die Fantasie von dieser endlosen Klubnacht wird hervorgerufen durch die neuste Veröffentlichung des Zürcher Musikproduzenten Michael Sauter. Normalerweise vor allem in der Theater- und Filmmusik-Welt zuhause, veröffentlicht der 41-Jährige mit den drei EPs als DJ Air Afrique sein lange gehegtes Liebhaberprojekt. Seit rund 17 Jahren beschäftigt sich der Schlagzeuger – in Biel aufgewachsen, in Bern mit Hip-Hop grossgeworden, in Vevey studiert, Afrika bereist, in der Zürcher Kultur- und Filmszene zuhause – mit der Clubmusik der sogenannt Alten Welt.
«Die Polyrhythmik verfolgt mich schon ganz lange», sagt Sauter, der schon als Gymischüler in Biel Djembe spielte und in den vergangenen Jahren seine afrikanisch inspirierte Musik immer wieder in verschiedenen Konstellationen auf die Bühne brachte. «Ich habe in meinem Sampler Tracks gespeichert, die schon zwanzig Jahre alt sind und nach afrikanischem Techno klingen. Schnurgerade House- oder Technotracks waren nie mein Ding.»
Vor gut zwei Jahren reifte der Entschluss, sein langwährendes Projekt als DJ Air Afrique zu konkretisieren und auf eine Veröffentlichung hinzuarbeiten. Dazu gründete er eigens das Label Air Afrique Records und lud afrikanische Sänger und Instrumentalisten in sein Studio im Zürcher Kreis 5 ein, um mit ihnen zu experimentieren.
Seine nun erschienen Ausflüge in die Sounds und Rhythmen der Alten Welt, die hier so unmittelbar und neu klingen, sind unterteilt in drei Kapitel:
Auf «Meet Tino Baroza» kollaborierte Sauter mit dem Kameruner Gitarristen Tino Baroza. Dabei entstanden für einmal weniger Tracks als berührende Songs, die jedes Mal andere Klangfarben aufweisen. Die gemeinsam erarbeitete Musik stellt eine Mischung aus traditionellen afrikanischen Musikstilen wie Soukouss, Coupé Décalé oder Ndombolo mit elektronischen Elementen dar. Und wer einmal dem lieblichen Miteinander von Gitarre und Gesang auf «On ne sais jamais» gelauscht hat, ist ihm sofort verfallen.
Für «Bongo Dub Massif» erforscht Sauter gemeinsam mit dem in Strassburg lebenden Konogolesen Kongo K die Tiefen des Grooves, spielt mit der Repetition, mit den Bässen, lässt die Beats in die Glieder fahren. Afrikanisch und südamerikanisch inspirierter Techno und Rave im Midtempo-Bereich, könnte man sagen. Versehen mit vielen Details, mit elektronischen Spielereien, mit viel Druck, mit viel Hall und Gesang von Kongo K. Musik, welche die Poren und die Herzen öffnet.
Dass sich zwischendurch ein starker Cumbia-Einfluss bemerkbar macht – ein Musikstil, der seine Wurzeln in Mittel- und Südamerika hat – gehört zur Offenheit des Projekts. «Zwischen den Musikern und mir sollte ein offener Austausch stattfinden. Alle brachten Ideen ein und daraus entstand irgendetwas Neues, Komisches, Spannendes. Etwas, das in keine Schublade passen muss oder soll», umschreibt Sauter selbst die Herangehensweise.
Die Vielseitigkeit pflegt er seit jeher. Er war Produzent der Mundartrap-Gruppe LDeep, legt als DJ druckvolle Clubmusik auf, spielt Schlagzeug in Rock- und Discobands, hat Musik für mehrere grosse Schweizer Spielfilme und den «Tatort» gemacht, wurde mit dem Filmmusikpreis der Suisa ausgezeichnet und ist fester Bestandteil der Theatergruppe 400asa.
Die Musik auf der dritten EP «It’s A Worldwide Thing» hat Clubcharakter. Sie klingt hochaktuell, akut, anstachelnd. Nach afrikanischer Clubmusik gemischt mit Deep House (wie in «Bal Shaka»), hyperschnellem kapverdischem Funana («On S’en Funana»), düster funkelndem Electro («Talanga» und «Yobe Dance») oder stampfendem Ghetto Techno («Body Expression»). Zu hören sind diesmal neben Kongo K auch die aus Ghana und Nigeria stammenden Switzboiz (Mr. Tymles und Papa Toffi) und der Kameruner Rapper TALE. In dieser Konstellation senden Sauter und seinen Mitstreitern unmittelbare Tanzbefehle aus, die stets Wärme und Melodie bewahren.
DJ Air Afrique presents «Meet Tino Baroza» (Air Afrique Records)
DJ Air Afrique presents «Bongo Dub Massif» (Air Afrique Records)
DJ Air Afrique presents «It’s A Worldwide Thing» (Air Afrique Records)
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